Vom Septimerpass zum Malojapass

244384aabf.jpg

Ausgangspunkt

Bushaltestelle in Bivio. Bis hierher mit Postauto von Tiefencastel.

Tourdaten

  • Weglänge: 19 km
  • Höhendifferenz: ↑ 930 Hm ↓ 880 Hm

Routenbeschreibung

Nach der gestrigen Biketour von Bivio über den Julierpass nach St. Moritz wollte ich es heute etwas geruhsamer angehen lassen. Ich hatte mir einen gemütlichen Spaziergang in der schönen Landschaft von gestern vorgestellt, diesmal aber zum Septimerpass und von dort aus entweder zurück nach Bivio oder auf der anderen Seite ins Bergell nach Casaccia hinunter. Die ganze Sache eskalierte in der Folge etwas, aber das konnte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen.

Von Bivio zum Septimerpass

Von Bivio aus machte ich mich auf den Weg ins lange Tal von Tgavretga südlich vom Dorf. Hier bin ich schon zuvor vorbeigekommen, nämlich auf einer Wanderung und auf einer Skitour zur Roccabella sowie auf dem Abstieg vom Passübergang der Forcellina zum Septimerpass.

Der Aufstieg auf dem Alpweg war zunächst sehr entspannt und idyllisch. Unterwegs erreichte mich aber die Nachricht von Susanne, dass sie sich beim Morgentraining am Vortag ihrer geplanten Teilnahme am Irontrail Savognin noch nicht ausreichend verausgabt hatte und mir deshalb nach Bivio hinterher fahren wollte, um mich auf dem Weg zum Septimerpass einzuholen und sich damit vor ihrem "Race Day" völlig zu erschöpfen. Ich war über diese Art der Wettkampfvorbereitung zwar etwas erstaunt, aber was verstehe ich schon von neuzeitlicher Sportwissenschaft.

Ich lief also weiter zum Septimerpass, kam unterwegs an der Abzweigung vom Weg zur Roccabella vorbei, überlegte noch kurz, ob es bis zur Ankunft von Susanne von hier aus für einen Abstecher zum Gipfel mitsamt rechtzeitiger Rückkehr zum gegenwärtigen Standort reichen würde, verwarf diesen Gedanken nach weiteren Berechnungen aber und setzte meinen Weg zur Passhöhe fort. Die zerfurchte Schlucht vom Fluss Eva da Sett und die weite Sumpflandschaft Plang Camfer etwas weiter oben hatte ich bei der letzten Wanderung hier vor fünf Jahren gar nicht so schön wahrgenommen, da wir damals in höchster Eile im Abstieg irgendeinen Bus erreichen mussten.

Einen halben Kilometer vor dem Septimerpass kam ich am Wegkreuz bei Mot da la Crusch vorbei. Ich ging zur Passhöhe weiter und kehrte danach zum Wegkreuz zurück, an dem ich es mir in der Sonne gemütlich machen könnte und einen guten Blick auf das Hochtal hatte, um Susanne rechtzeitig in der Ferne beim Heranjoggen erkennen zu können.

Irgendwann später war es dann soweit: ein schwarzer Punkt tauchte am Horizont auf und rückte auf der Plang Camfer stetig näher. Dann verschwand der Punkt aber unvermittelt und erschien die längste Zeit nicht mehr. Später stellte sich heraus, dass Susanne im Gegensatz zu mir eine als Wanderweg beschilderte Abkürzung zum Fahrweg gewählt hatte und in ein Gewirr aus Altschneefeldern und Bachläufen geraten war, auf denen sie das Herumspringen im Gelände für den folgenden Renntag trainieren konnte.

Nachdem sie das Wegkreuz erreicht hatte, setzten wir unseren Weg über den Septimerpass gemeinsam fort. Auf der anderen Seite vom Pass eröffnete sich bald ein wunderbarer Ausblick auf die schneebedeckten Gipfel vom Bergell an der italienisch-schweizerischen Grenze.

Vom Septimerpass nach Casaccia

Der Septimerpass wurde zur Römerzeit als Saumpfad benutzt und diese Vergangenheit war an vielen Stellen immer noch an verlegten Pflastersteinen sichtbar. Wir stiegen von der Passhöhe am steilen Flusslauf der Aua da Sett immer weiter ins lange Val Muroz hinab. Zwar hatten wir angenommen, dass nach den letzten Schneefeldern auf der Passhöhe mit fortlaufendem Abstieg keine weiteren Hindernisse zu erwarten seien, aber dies stellte sich als Irrtum heraus. An einigen Stellen blockierten mehr oder weniger starke Wasserläufe den Weg, die wir mangels Alternativen teils im Weitsprung überqueren mussten. An anderen Orten war der Weg wiederum durch gewaltige Lawinenreste verschüttet, die auch wieder im Gelände und/oder über den Bach umgangen werden mussten. Noch weiter unten überquerte der Pfad über einer ziemlich abbruchreif erscheinende Holzbrücke die nunmehr reissende Aua da Sett; mit angehaltenem Atem wackelten wir auch über dieses Hindernis.

Danach wurde der Wegzustand wieder gutmütiger. In engen Kurven und stets am Rande eindrücklicher Steilstufen und Wasserfälle erreichten wir am Schluss einen Fahrweg, der aus dem Val Muroz hinaus und hinunter ins Bergell nach Casaccia führte. Oberhalb von Casaccia – die Häuser und die Bushaltestelle waren bereits in Sicht – entschieden wir angesichts der noch ausreichenden Zeit, auf einem Wanderweg über der Strasse noch zwei Kilometer weiter zur nächsten Bushaltestelle zu wandern. Dies sollte sich in der Folge noch als Fehler mit ziemlich anstrengenden Folgen herausstellen.

Von Casaccia zum Malojapass

Zunächst landschaftlich noch sehr malerisch durch Blumenfelder ging der Pfad zur Ruine der spätgotischen Kirche San Gaudenzio. Hinter der Kirche wurde das Gebüsch aber immer höher, der Weg zunehmend überwuchert und auf einmal standen wir mitten im Nirgendwo im Steilgelände unter einer alten Steinmauer und ohne jegliche Anzeichen eines Weiterwegs. Nach einigem Herumirren und der Betrachtung einiger Holzüberreste unter der Mauer wurde des Rätsels Lösung klar: es musste einmal eine hölzerne Leiter oder Treppe gegeben haben, die auf die Mauer und auf den weiteren Weg geführt hatten. Diese Konstruktion lag nun jedenfalls völlig zerstört vor unseren Füssen. Nebenbei bemerkt, wurde die anfangs so üppige verbleibende Zeit bis zur Ankunft vom Bus zunehmend knapp.

Wir versuchten als Nächstes, die Steinmauer auf verschiedene Arten zu überwinden, ohne im abschüssigen Gelände mit Steilgras, einigen Büschen und morschen Baumresten als einzigen Haltepunkten Kopf und Kragen zu riskieren. In einem ziemlich prekären und vor allem sehr zeitraubenden abendlichen Klettermanöver, bei dem es irgendwann nur noch vorwärts, aber kein Zurück mehr gab, gelang es uns tatsächlich, den vermutlichen Weiterweg im Dickicht zu erreichen. Er führte uns dann auch tatsächlich zu einer Einmündung am nächsten Waldweg, die mit einer Sperrung und Umleitung signalisiert war. Auf die Idee, diesen Hinweis auch am anderen Ende des Wegs einzurichten, schien offenbar niemand gekommen zu sein.

Wir sahen den Bus in Richtung Malojapass und St. Moritz noch unter uns auf der Strasse vorbeifahren, danach waren wir wieder auf uns allein gestellt. Es gab in einer Stunde noch einen erreichbaren Bus. Wir könnten diese Stunde also entweder an der Bushaltestelle vertrödeln oder aber in der Zeit auf einem weiteren Wanderweg bis zum Dorf Maloja auf der Passhöhe vom Malojapass hinaufsteigen und den Bus von dort nehmen.

In der Hoffnung, keinen weiteren Überraschungen zu begegnen, ging es von hier nochmals über etwas mehr als 200 Höhenmeter durch einen pittoresken Bergwald steil hinauf. In der letzten Abendsonne kamen wir nach insgesamt 19 Kilometern Laufstrecke schweissgebadet, aber rechtzeitig in Maloja an und mit Bus und Zug wieder nach Hause – optimal vorbereitet und bestens ausgeruht für Susannes Irontrail-Wettkampf in weniger als 24 Stunden…

Fotos

Über den Häusern von Bivio
Anfang der Passstrasse zum Julierpass
Auf dem Weg zum Septimerpass
Auf dem Weg zum Septimerpass
Der fast schneefreie Gipfel des Roccabella
Blick zurück in Richtung Bivio mit Piz Nair
Blick zurück auf Roccabella
Eine längere Flachetappe im Plang Camfer
Der zerfurchte Flusslauf vom Eva da Sett
Aussicht von Mot da la Crusch
Auf der Passhöhe vom Septimerpass
Die alte Militärbaracke am Septimerpass
Von der Trailrunnerin eingeholt
Noch einige Schneereste mit Saharastaub
Erster Blick auf die Gebirgsmassive des Bergell
Weiterer Verlauf vom Passweg ins Val Maroz
Reissende Bäche und Schneefelder zu überwinden
Akrobatische Sprünge aus Furcht vor nassen Füssen
Akrobatische Sprünge aus Furcht vor nassen Füssen
Auf einer alten Römerbrücke über die Aua da Sett
Immer wieder imposante Ausblicke ins Bergell
Weitere Lawinenkegel versperren den Weg
Auf einer etwas zweifelhaften Brücke
Auf einer etwas zweifelhaften Brücke
Im Abstieg ins Val Maroz
Dramatische Wasserfälle am Wegrand
Im Abstieg ins Val Maroz
Blick auf die Alp Maroz Dora
Ankunft beim Alpweg hinunter nach Casaccia
Bei einer Selbstbedienungstankstelle unterwegs
Marsch aus dem Val Maroz hinunter nach Casaccia
Der reissende Flusslauf der Maira
Marsch aus dem Val Maroz hinunter nach Casaccia
Blick auf den Malojapass in der Ferne
Die Staumauer vom Lägh da l'Albigna
Über dem Dorf Casaccia
Auf dem Weg nach San Gaudenzio
Auf dem Weg nach San Gaudenzio
Spätgotische Kirche von San Gaudenzio aus dem 16.Jh.
Spätgotische Kirche von San Gaudenzio aus dem 16.Jh.
Abruptes Ende der Ausbaustrecke
Prekäre Turnübungen im unwegsamen Steilwald
Aufstieg von Cavril zum Malojapass
Aufstieg von Cavril zum Malojapass
Ankunft bei den Häusern von Maloja
Ankunft bei den Häusern von Maloja