Über den Julierpass nach St. Moritz
Ausgangspunkt
Schmitten im Albulatal.
Tourdaten
- Weglänge: 71 km
- Höhendifferenz: ↑ 2270 Hm ↓ 1700 Hm
Routenbeschreibung
Nachdem Susanne am in zwei Tagen stattfindenden Swiss Irontrail-Berglauf in Savognin teilnehmen wollte und ich sie dort anfeuern wollte, musste ich mir zwecks Planung der Abfahrtszeit einen Eindruck verschaffen, wie lange ich mit dem Bike von zuhause aus nach Savognin benötigen würde. Nach Möglichkeit wollte ich dies aber auch noch mit einer Weiterfahrt in Richtung Alp Flix und Bivio auf den Spuren unserer sehr mühsamen Mountainbiketour zur Alp Flix vom letzten Jahr verbinden.
Von Schmitten nach Savognin
Die erste Etappe von Schmitten in Richtung Savognin verlief auf der verkehrsarmen Nebenstrasse von Alvaneu Dorf nach Alvaneu Bad, dort abseits der Strasse durch den Wald und entlang vom rauschenden Albulafluss nach Surava, dann zwei Kilometer auf der Hauptstrasse nach Tiefencastel. Im Zentrum von Tiefencastel begann der erste grössere Aufstieg ins kleine Dorf Mon. Nach einer kurzen Kühlungspause am Dorfbrunnen in Mon ging es nochmals bergauf nach Del auf halbem Weg zwischen Mon und Salouf. Hier lag die grösste Mühe hinter mir und ich konnte nun zügig bergab nach Salouf und weiter zur Brücke kurz vor Cunter fahren, wo ein Feldweg in Richtung Savognin abzweigte. Dem Fluss Gelgia entlang fuhr ich in wenigen Minuten am emsigen Treiben am Badesee von Savognin vorbei und erreichte den Parkplatz der Bergbahnen, wo sich dann Start und Zieleinlauf vom Irontrail-Lauf befinden würden. Im Moment war aber noch überhaupt nichts vom bevorstehenden grossen Event zu sehen.
Von Savognin zur Alp Flix
Auch diese Wegetappe folgte zunächst unserer letztjährigen Tour zur Alp Flix. Ein schöner Radweg führte von Savognin weiterhin am Fluss Gelgia entlang zum Kraftwerk Burs. Auf der Höhe von Tinizong bog der Weg dann aber in den Wald ab und ein weiterer Aufstieg in Richtung Rona nahm seinen Anfang. Ich hatte diesen viel steiler und anstrengender in Erinnerung; stattdessen ging es aber in einer komfortabler Steigung zügig voran und ich erreichte den Campingplatz in Rona schneller als gedacht. Allerdings sah es hier aus, als ob die Tour an dieser Stelle ein vorzeitiges Ende nehmen würde: ein düstere Regenfront baute sich auf und beim Campingplatz fielen schon die ersten Tropfen mit einer Deutlichkeit, die mich auf schnellstem Weg einen trockenen Unterstand bei der Bushaltestelle in Rona suchen liess. Es prasselte sodann erheblich, während ich auf dem Handy nach Eingebungen für das weitere Vorgehen suchte. Der nächste Bus nach Tiefencastel würde in einer Viertelstunde eintreffen. Andererseits zeigte das Radarbild von SwissMeteo aber auch an, dass ich mich nur unter einer kleinen Regenzelle befand, die sich rasch nach St. Moritz weiterbewegen würde. Auch wenn es um mich herum im Moment überhaupt nicht nach Wetterbesserung aussah, beschloss ich daher zu warten. Und tatsächlich: nach etwa 10 Minuten wurden von Savognin her kommend erste Flecken von blauem Himmel sichtbar und der Wolkenbruch liess langsam nach.
Ich machte mich nun also an den Aufstieg in Richtung Alp Flix. Schon während den ersten Minuten vom Aufstieg kam die Sonne wieder hinter den Wolken hervor und noch etwas später war es wieder sommerlich warm und hell, als ob nichts geschehen wäre. Ich kurbelte stetig weiter nach Pale Radonda hoch, von wo aus ich zum ersten Mal die türkisblaue Wasserfläche vom Marmorera-Stausee in der Ferne sehen konnte. Danach ging es bergab bis zur Einmündung in die Alpstrasse, die von Sur hinauf zum Gasthof auf der Alp Flix führt.
Von hier aus wäre es nur ein Kilometer zum Gasthof am Ende der Alpstrasse gewesen, zu dem wir im letzten Jahr mühsam hochgekeucht waren. Ich erwog noch kurz, dorthin zu fahren, entschied mich dann aber dafür, etwas anderes und Neues auszuprobieren: nämlich ob es möglich wäre, auch weiterhin unter grösstmöglicher Umgehung der vielbefahrenen Durchgangsstrasse bis nach Bivio zu gelangen.
Von Alp Flix nach Bivio
Zunächst fuhr ich auf der Alpstrasse ein kurzes Stück nach Sur hinunter, bog dann aber bei nächster Gelegenheit auf einen Waldweg in Richtung Marmorera-Stausee ab. In einer sehr schönen und abwechslungsreichen Abfahrt erreichte ich die Häuser von Scalotta in der letzten Kurve der Durchgangsstrasse vor dem Stausee. Hier gab es leider keine Ausweichmöglichkeit mehr; ich musste ab jetzt anderthalb Kilometer auf der Strasse entlang dem Stausee durchhalten, bis ich bei der nächsten Kreuzung wieder ins Abseits und zum Dorf Marmorera abbiegen konnte.
Nach einem kleinen Fotostopp auf der Mauerkrone vom Stausee, von wo aus wir auch schon eine Wanderung über dem Westufer nach Stalveder unternommen hatten, machte ich mich wieder ans Werk. Ich entdeckte jenseits der Leitplanken am Strassenrand noch einen kleinen Wanderweg, auf dem man den Strassenabschnitt bis Marmorera noch um die Hälfte hätte verkürzen können. Da aber gerade nicht sehr viel Verkehr unterwegs war, blieb ich auf der Strasse und erreichte die Abzweigung nach Marmorera.
Hier ging es nun in engen Schlangenkurven zwischen den Häusern von Marmorera empor. Das Dorf hat ja eine etwas zwiespältige Geschichte – es wurde als Ersatz für die Überflutung vom ursprünglichen Dorf durch den Stausee gebaut, die nicht ohne Kontroversen stattfand – es ist aber landschaftlich wirklich idyllisch und ruhig gelegen. Der kleine, von Bäumen überschattete Friedhof vom Dorf mit dem Stausee im Hintergrund war für mich einer der schönsten Friedhöfe, die ich bisher gesehen hatte.
Am oberen Dorfrand begann erneut ein sehr schöner Waldweg, der nunmehr dem Hang entlang und ohne grössere Steigungen verlief. Bevor ich es realisierte, kam ich schon beim grossen Parkplatz am Ortseingang von Bivio an. Mein Ziel, eine stressfreie Route nach Bivio abseits der Hauptverkehrsachsen zu finden, war somit erfolgreich erreicht.
In Bivio stand bereits der Bus nach Tiefencastel bereit. Wie schon in Rona überlegte ich auch hier, ob ich die Tour an dieser Stelle beenden und mit dem Bus wieder zurückfahren sollte. Einerseits war das Wetter schön, bis zum Abend hatte ich noch einige Stunden Zeit und mein Bikecomputer zeigte an, dass eine Weiterfahrt über den Julierpass nach St. Moritz theoretisch noch möglich wäre, ohne den letzten Zug von dort zurück nach Chur zu verpassen. Andererseits war die Luft dünn, die Beine zeigten schon deutliche Ermüdungserscheinungen und der Julierpass war ein unbekanntes Abenteuer für mich, das ich bisher nie mit dem Bike versucht hatte.
Von Bivio nach St. Moritz
Ich beschloss in diesem Dilemma, zunächst 40 Minuten in Richtung Julierpass hochzustrampeln und zu schauen, wie weit ich kommen würde. Falls es nicht recht voran ginge, hätte ich dann immer noch 20 Minuten Zeit für die Rückfahrt bergab nach Bivio, um den nächsten Bus nach Tiefencastel zu erwischen.
Ich fuhr also los. Die Passstrasse zeigte sich im ersten Teil sehr gutmütig, mit nur wenig Steigung erreichte ich die ersten Haarnadelkurven bei Bögia. Sie waren bald überwunden und in den breiten Kurven gab es stets auch ein paar flache Meter, um zwischendurch wieder durchzuatmen. Dann folgte ein weiteres relativ flaches Stück und bald konnte ich schon das Hospiz bei La Veduta weiter oben sehen. Von bisherigen Autofahrten wusste ich, dass die Passhöhe von La Veduta aus nicht mehr weit war.
Hinter La Veduta stieg die Euphorie und kurz darauf war auch schon der Julierpass in Reichweite. Ich lag nun absolut komfortabel in der computerberechneten Zeit und genoss oben auf der Passhöhe die eindrückliche Bergkulisse und die Erinnerungen an verschiedene Ski- und Wandertouren (Piz Surgonda, Piz Lagrev, Piz Julier), die von hier aus starteten.
Die Abfahrt vom Julierpass nach Silvaplana war ein Genuss. In langen Geraden und weiten Kurven mit nicht allzuviel Bremsbedarf fuhr ich in der Abendsonne ins Engadin, einen herrlichen Blick auf Silvaplana, den Silvaplanersee und den Lej da Champfèr vor Augen. Vor Silvaplana bog ein Radweg ins Ortszentrum ab. Über einen Kreisel und eine Brücke gelangte ich nach Silvaplana-Surlej auf der anderen Seeseite, wo ein wunderschöner Waldtrail durch God Surlej und an zwei kleinen, im Wald versteckten Badeseen (Lej Nair und Lei Marsch) vorbeiführte. Ich kam am Campingplatz von St. Moritz Bad wieder aus dem Wald heraus und fuhr das letzte Stück dann entspannt auf dem Uferweg des St. Moritzersees zum Bahnhof.