Von Splügen nach Bellinzona
Ausgangspunkt
Parkplatz Splügen Bergbahnen.
Tourdaten
- Weglänge: 76.1 km
- Höhendifferenz: ↑ 910 Hm ↓ 2130 Hm
Routenbeschreibung
Wiederholung meiner Gravelbike-Tour von Splügen nach Mesocco vor zwei Monaten. Diesmal mit dem Ziel, noch viel weiter ins Unbekannte vorzustossen und erstmals nicht nur nach Mesocco, sondern die ganze Strecke durchs langgezogene Valle Malcesina bis ins Zentrum von Bellinzona zu fahren. Zudem nicht wie beim letzten Ausflug auf der Strasse von San Bernardino Dorf bis Pian San Giacomo, sondern auf der MTB-Route auf der Westseite des malerischen Stausees Lago d'Isola. Zu diesem Zweck hatte auch ich heute mein Mountainbike und nicht das Gravelbike dabei.
Von Splügen zum San Bernardinopass
Der Parkplatz bei den Bergbahnen von Splügen diente auch dieses Mal als Ausgangspunkt, da man hier bei der Rückfahrt mit dem Bus einfach am flexibelsten ist. Sowohl der Regionalbus ab Mesocco wie auch der Expressbus ab Bellinzona machen einen Zwischenhalt in Splügen, was bei den anderen Haltestellen auf der Strecke (insbesondere Nufenen oder das Tunnel-Nordportal bei Hinterrhein) nicht der Fall ist.
Von Splügen aus mussten wir zuerst auf einem längeren Abschnitt auf Nebenwegen über dem Hinterrhein und der Autostrasse fahren, bis wir überhaupt das Tunnelportal am Fuss der San Bernardino-Passstrasse erreichten. Dort angekommen, machten wir uns an den Aufstieg über die Passstrasse, die im unteren Teil in zahlreichen, wie eine Ziehharmonika zusammengefalteten Haarnadelkurven mit längeren, sehr angenehm zu fahrenden und nur wenig ansteigenden Geraden verlief. Über der Waldgrenze auf der Tällialp zog sich die Strasse dann lang ansteigend in Nord-Süd-Richtung dahin. Es wurde hier deutlich kälter und es wehte uns ein fast eisiger Gegenwind ins Gesicht, aber im Hinblick auf die vorhergesagte Bruthitze im Talkessel um Bellinzona herum wollte ich nicht klagen.
Auf dem Weg zur Passhöhe herrschte viel Motorrad-, aber verhältnismässig wenig Autoverkehr. Umso grösser dann unsere Überraschung, als wir auf dem San Bernardinopass ankamen: hier fand ein wahrer Massenauflauf mit einem Gewimmel an Autos und Ausflüglern statt. Den Kennzeichen nach zu urteilen, war die überwiegende Mehrheit offenbar aus dem Tessin und aus Italien heraufgefahren, um der Hitze im Tal zu entfliehen. Wir hielten uns nur kurz inmitten des Gewimmels auf der Passhöhe auf und machten uns anschliessend auf die Abfahrt in den Süden nach San Bernardino Dorf.
Vom San Bernardinopass nach Mesocco
Auf der Abfahrt waren wir fasziniert davon, wie praktisch jeder ebene Grasfleck, jede Park- und Campingmöglichkeit auf beiden Seiten der Strasse von sonnenbadenden oder picknickenden Urlaubern besetzt war. Nach vielen Kurven und einer Baustelle kamen wir dann in San Bernardino an und wurden gleich als nächstes von den voll belegten Parkflächen und den Getümmel dort überrascht. Mit all den italienischen Wortfetzen, die durch die Luft drangen, entstand fast ein Gefühl von Strandurlaub am Mittelmeer, obwohl wir noch mitten in den Bergen waren.
Durch die Blechwüste der Autos auf dem Parkplatz der (einige Jahre lang stillgelegten, aber jetzt offenbar wieder teilweise in Betrieb genommenen) Bergbahnen in San Bernardino bahnten wir uns einen Weg zum Anfang der MTB-Route nach Pian San Giacomo. Auf diesem schönen Waldweg hatten wir uns etwas mehr Abgeschiedenheit erhofft, zumindest bis zum Lago d'Isola waren aber auch hier viele Spaziergänger unterwegs. Nach der Staumauer des Sees wurde es aber schnell ruhiger und der Weg wand sich in einer sehr schönen Abfahrt hinunter nach Pian San Giacomo. Ich war froh, hier auf dem Mountainbike zu sitzen, da einige Wegabschnitte doch sehr holprig fürs Gravelbike und für die Handgelenke gewesen wären.
In Pian San Giacomo fuhren wir ein kurzes Stück auf der Strasse entlang, bis der Radweg wieder links zur nächsten Etappe hinunter nach Mesocco abbog. In zahlreichen Kurven und immer wieder unter der dicht befahrenen Autostrasse zum San Bernardino-Tunnel hindurch, zuletzt auf einer (beim letzten Mal ebenfalls nicht versuchten) MTB-Wegvariante kamen wir bei den Hinterhöfen von Mesocco an. Hier war im Juni für mich Endstation, als ich anschliessend mit dem Bus zurück nach Splügen fuhr. Heute waren wir jedoch gut im Zeitplan, es war früher Nachmittag und nach unseren Berechnungen müssten die noch verbleibenden 33 km nach Bellinzona problemlos bis zum Abend zu schaffen sein.
Von Mesocco nach Bellinzona
Etwas Kopfzerbrechen bei der Weiterfahrt bereiteten mir die schweren Unwetter und Überschwemmungen vor einigen Wochen, die weite Teile des Valle Malcesina verwüsteten und zahlreiche Verkehrswege unpassierbar machten. In der Zwischenzeit wurde dank enormen Anstrengungen zwar vieles wieder freigeräumt und ich hatte meine Routenplanung am Vorabend auch dem aktuellsten Stand der offiziell im Internet publizierten Wegsperrungen angepasst. Trotzdem verblieb immer noch ein Unsicherheitsfaktor, da die Angaben im Internet erfahrungsgemäss nicht immer zu 100% mit den Verhältnissen vor Ort übereinstimmen.
Im weiteren Verlauf trafen wir tatsächlich immer wieder auf Überreste vergangener Überschwemmungen und Murgänge aus den hoch aufragenden Bergflanken zu unserer Seite. Zahlreiche Felsabbrüche klafften auch wie Wunden in den steilen Waldhängen. Trockener Schlamm auf den Wiesen liess auch erahnen, wo überall Wasser hingeflossen sein musste. Trotzdem war unsere Fahrstrecke auch in der am meisten betroffenen Region um Lostallo fast durchgehend befahrbar. "Fast", weil unsere Fahrt dann doch an einer Stelle jäh zum Stillstand kam, als unser Weg die Schlucht vom Val d'Orbel kreuzte. Hier hatte sich auf mehreren Hundert Metern ein gewaltiger Schlamm- und Geröllstrom über die Wiesen und den Fahrweg gewälzt und wir mussten uns mit unseren Bikes im Schlepptau ziemlich mühsam einen Weg durch die Schuttmassen und an ihnen vorbei suchen, bis wir wieder festen Grund unter den Rädern hatten.
Ansonsten verlief die Tour aber zum Glück ohne weitere Hindernisse. Bei Grono kreuzten wir den Fluss auf einer breiten Brücke mit bester Sicht ins Val Calanca hinein, wo wir in diesem Jahr auch schon eine abenteuerliche Biketour (allerdings auf Leihrädern) bewältigt hatten. Es folgte ein sehr schöner Abschnitt auf ehemaligen Bahngleisen, die nun zu einem Radweg umgebaut waren, und an stillgelegten Bahnhöfen vorbei. Nach Roveredo erreichten wir einen langen Radweg, den wir auf besagter Tour ins Val Calanca auch schon in der Gegenrichtung befahren hatten. Die Siedlungsdichte nahm nun immer mehr zu, das urbane Radwegnetz war aber ausgezeichnet beschildert und zu befahren. Bei Lumino folgte wieder eine Flussüberquerung und ein schönes Waldstück am Grotto Bassa vorbei, einer idyllisch gelegenen Waldgaststätte. Am Schluss ging es in stetem Auf und Ab durch die Wohnviertel und Seitenstrassen von Arbedo hindurch und den Bahngleisen entlang bis zum Bahnhof Bellinzona, wo wir in einer schwungvollen Kurve in den Busbahnhof hineinfuhren und direkt vor dem in wenigen Minuten abfahrenden Expressbus in Richtung Chur (und Splügen) zum Stillstand kamen.