Über den San Bernardino-Pass nach Mesocco

135356d3f6.jpg

Ausgangspunkt

Parkplatz und Postauto-Haltestelle Splügen Bergbahnen.

Tourdaten

  • Weglänge: 43 km
  • Höhendifferenz: ↑ 850 Hm ↓ 1550 Hm

Routenbeschreibung

Seit dem letzten Herbst hatte ich mit dem Gravelbike schon verschiedene Vorstösse dem Hinterrhein entlang und ins Rheinwaldtal unternommen, wie etwa die Touren von Thusis zum Sufnersee und von Zillis zum Splügenpass. Den noch weiter hinten liegenden San Bernardino-Pass hatte ich bisher aber immer nur im Tunnel über- bzw. unterquert, z.B. bei unserem kürzlichen Overnighter in Bellinzona. Mit fortschreitendem Frühling wurde es aber langsam definitiv Zeit, nach dem Splügenpass endlich auch einmal den San Bernardino-Pass erstmals mit dem Bike in Angriff zu nehmen.

Für Biketouren über den San Bernardino (in Zukunft womöglich noch mit Gepäck) hatte ich mir im Voraus schon einmal eine persönliche Schwierigkeitsskala von 1 (ganz einfach) bis 10 (unmenschlich schwierig) ausgedacht:

  • Level 1 = Start direkt am Anfang der Passstrasse beim Tunnel-Nordportal; nur ca. 400 Höhenmeter
  • Level 2 = Start in Splügen; es kommen nochmals 400 Hm für die Fahrt von Splügen bis zum Nordportal hinzu
  • Level 3 bis 8 = Start- und Endpunkte wird immer weiter zurück in Richtung Thusis bzw. nach vorne in Richtung Bellinzona verlegt
  • Level 9 = Start in Thusis; Ziel in Bellinzona
  • Level 10 = wie Level 9, aber alles in der Gegenrichtung; von Bellinzona bis zur Passhöhe allein 54 km und über 2100 Hm, schlimmstenfalls noch im subtropischen Klima des Südens

Für den heutigen Nachmittag waren Gewitter vorhergesagt, die ich nicht unbedingt auf der Passhöhe erleben wollte. Ich beschloss daher, es bei meiner ersten Passüberquerung zeitlich nicht gleich zu übertreiben. Der Einstieg auf Level 2 würde trockenen Fusses sicher schon ambitioniert genug sein.

Von Splügen zum Tunnelportal

Ich startete vom Parkplatz "Splügen Bergbahnen". Vom Süden her fährt nämlich alle 30 Minuten ein Postbus zurück in Richtung Thusis, wobei sich jeweils ein Express- und ein Regionalbus abwechseln. Beide halten aber in Splügen, während die meisten anderen Dörfer im Rheinwaldtal nur vom Regionalbus bedient werden.

Die vermeintlich einfache Fahrt von Splügen zum Nordportal des San Bernardino-Tunnels erwies sich schnell als viel anstrengender als gedacht, da ich auf dem ganzen Abschnitt mit üblem Gegenwind zu kämpfen hatte. Beim Anblick der Wolken über den Bergen in Richtung Pass kamen denn auch schon bald Zweifel auf, ob ich es bei dem Wetter überhaupt schon nur bis zur Passhöhe schaffen würde. Ich kämpfte mich jedoch Meter für Meter voran und erreichte dann irgendwann den grossen Parkplatz vor dem Tunnelportal, wo der Aufstieg zum Pass begann. Hier sah es inzwischen freundlicher aus, besonders da der erste Teil der Passstrasse im Windschatten lag. Ich beschloss also, den Pass in Angriff zu nehmen.

Aufstieg zum San Bernardino-Pass

Schon in den ersten Kurven zeigte sich zu meiner Überraschung, dass die Passstrasse ziemlich angenehm zu befahren war. Nicht nur waren lediglich einzelne Autos und Motorradfahrer unterwegs (viel weniger als kürzlich am Splügenpass); die Steigung war auch unerwartet gemächlich. Die Haarnadelkurven waren sehr eng zusammengefaltet, sodass in jeder Kurve ein kurzer Anstieg zu bewältigen war, während mir die langen Geraden dazwischen fast flach vorkamen. So kam ich dann relativ schnell vorwärts und erreichte schon bald die Schneegrenze, wo es wieder windiger (und auch kälter) wurde. Da ich inzwischen aber schon voll aufgewärmt und im "Flow" war, störte mich der Wind aber nicht mehr sehr.

Unterwegs überholte ich ein älteres Ehepaar, das auf schwerbepackten Rädern eisern den Pass hochkurbelte. Wir kamen später noch ins Gespräch; es stellte sich heraus, dass beide von der Schwäbischen Alb kamen und auf einer 14-Tages-Reise unterwegs nach Nizza waren, um ihren Sohn beim Ironman Nizza anfeuern zu können. Ich fragte erstaunt, wie sie ihre Tagesetappen und Unterkünfte geplant hätten und bekam zur Antwort, dass sie die ganzen 14 Tage vorgebucht hätten, die vorgesehene Route und die Etappenziel also unabhängig von Wetter, persönlichem Befinden, Müdigkeit usw. über volle zwei Wochen hinweg jeden Tag strikt nach Zeitplan absolvieren müssten. Mir wurde in dem Moment klar, dass Level 10 auf meiner oben beschriebenen Bernardino-Schwierigkeitsskala wohl eher einem Level 1 in der Realität anderer Reisender entspricht…

Fahrstrecke und Höhenunterschied vom Tunnelportal bis zur Passhöhe fühlten sich kürzer an als erwartet und ich erreichte die Passhöhe schneller als gedacht. Dort oben lag nun richtig viel Schnee, der kleine Laghetto Moesola am Pass war immer noch zugefroren und die Luft war nun wirklich kalt. Um nicht auszukühlen, zog ich mir sofort eine Jacke an und setzte mich auf einen herumstehenden Campingstuhl im Windschatten des noch geschlossenen Restaurants, um das weitere Vorgehen zu überlegen. Ursprünglich hatte ich erwartet, ähnlich wie bei der Fahrt zum Splügenpass auch jetzt wieder umzukehren und zurück nach Splügen zu fahren. Andererseits sah das Wetter inzwischen gar nicht mehr so schlecht aus, die Wolken hingen alle auf den Berggipfeln und unten im Valle Malcesina schien es schön zu sein. Ich beschloss also, nach San Bernardino-Dorf oder vielleicht sogar noch weiter bis nach Mesocco zu fahren, von wo ich im erwähnten Halbstundentakt mit Sicherheit problemlos einen Bus zurück nach Splügen erwischen konnte.

Ich beschäftigte mich noch eine weitere Viertelstunde auf der Passhöhe intensiv mit meinem Handy, um den Busfahrplan zu prüfen und ad-hoc eine Navigationsroute nach Mesocco für den Bikecomputer zu erstellen. Danach packte ich mein Rad und startete die Abfahrt ins Neuland südlich vom Pass.

Fahrt von der Passhöhe nach Mesocco

Vom Pass bis nach San Bernardino-Dorf ging es zunächst in zahlreichen engen Kurven sehr zügig hinunter. Der Fahrtwind war heftig und ich war froh um den Schutz der winddichten Jacke. In San Bernardino angekommen, fühlte es sich schon etwas wärmer an, besonders da die Strecke vom Dorf auswärts nach Forcola über den Pian Doss leicht ansteigend verlief und ich schon wieder langsam ins Schwitzen kam. Hinter Forcola begann bald eine steile Abfahrt bis nach Pian San Giacomo. Dieser Teil strengte mich ziemlich an, da eine fast unendlich scheinende Abfolge von Haarnadelkurven zu bewältigen war, während ich mich bei hohem Tempo gleichzeitig auf Schlaglöcher, Gegenverkehr, die Bremsen und die herannahenden nächsten Kurven konzentrieren musste.

Auf der Ebene von Pian San Giacomo wurde die Fahrt dann vorübergehend wieder etwas gemütlicher und entspannter, bevor dann die nächste steilere Hangstufe hinab ins Tal nahte. Jetzt verliess meine Route aber die Autostrasse und führte über eine asphaltierten, einspurigen Alpweg erneut in steilen und engen Kurven abwärts. Ich fand diesen Abschnitt aber sehr malerisch und hielt auch immer wieder an, um Fotos zu machen. Man konnte hier sowieso nicht allzu schnell fahren, da abgesehen vom holprigen Belag auf entgegenkommende Radfahrer und Autos der Bauern auf dem Weg zu den diversen Alphütten und Viehweiden am Hang zu achten war. Zwischendurch kreuzte der Weg in Unterführungen immer wieder die A13-Schnellstrasse, auf der sich der dichte Verkehr zwischen Bellinzona und San Bernardino-Tunnel wälzte.

Bald wurde es erneut flacher und ich erreichte die ersten Wohnhäuser von Andergia. Danach ging es in wenigen Minuten über Quartierstrassen ins Dorfzentrum von Mesocco, wo der nächste Postbus zurück nach Splügen bereits wartete. Es reichte gerade noch, um das Rad hinten am Bus auf den Träger zu laden, eine Bikefahrkarte zu lösen und einzusteigen. Dann ging es schon los und während einer entspannenden Busfahrt durch den San Bernardino-Tunnel und durchs Rheinwaldtal konnte ich nochmals die ganze Tour an mir vorbeiziehen lassen.

Fotos

Auf dem Weg von Splügen zum Nordportal des San Bernardino-Tunnels
Der verschneite Gipfel des Guggernüll
Auf dem Weg von Splügen zum Nordportal
Auf dem Weg von Splügen zum Nordportal
Am Nordportal, wo die Strasse zum San Bernardino-Pass beginnt
Der Militärschiessplatz und das hintere Rheinwaldtal
Die ersten gemächlichen Kurven der Passstrasse
Ausblick auf Rheinwaldtal und Hinterrhein
Die ersten Schneereste kommen
Die ersten Schneereste kommen
Die ersten Schneereste kommen
Die ersten Schneereste kommen
Ankunft auf der Passhöhe
Ankunft auf der Passhöhe
Ankunft auf der Passhöhe
Wanderer müssen sich wohl noch etwas gedulden
Der verschneite Laghetto Moesola auf dem Pass
Der verschneite Laghetto Moesola auf dem Pass
Die Abfahrt nach Süden in Richtung San Bernardino-Dorf
Wolkenverhangene Berge entlang vom Weg
Ankunft in San Bernardino
Kurvenreiche Abfahrt nach Pian San Giacomo
Kurvenreiche Abfahrt nach Pian San Giacomo
Blick zurück in Richtung San Bernardino
Auf Alpstrassen nach Mesocco
Auf Alpstrassen nach Mesocco
Auf Alpstrassen nach Mesocco
Auf Alpstrassen nach Mesocco
Rauschende Bachläufe an vielen Orten
Die ersten Häuser von Andergia
Auf der Brücke über die Moesa in Mesocco