Pannenfahrt im Rheintal
Ausgangspunkt
Bad Ragaz.
Tourdaten
- Weglänge: 41.7 km
- Höhendifferenz: ↑↓ 500 Hm
Routenbeschreibung
Heute kündigte der Wetterbericht für das Rheintal wieder einmal Föhn und Temperaturen bis 14°C an, was beim Blick auf die frostige Winterstimmung bei mir vor dem Fenster doch ziemlich verlockend erschien. Schon bald war ich unterwegs nach Bad Ragaz, um von dort aus eine Runde durchs Fürstentum Liechtenstein und dem Rhein entlang auf der Schweizer Seite zurück zu unternehmen.
Von Bad Ragaz nach Balzers
In Bad Ragaz stellte ich fest, dass ich meine Sonnenbrille vergessen hatte. Das liess sich dank einer Ersatzbrille im Auto noch verschmerzen. Im Nachhinein war es aber doch ein erster Vorgeschmack auf das, was folgen würde. Auch dass der Föhnwind hier schon unerwartet heftig tobte und sich die Bäume im Wind bogen, war noch kein unmittelbarer Grund zur Sorge für mich.
Auf dem Weg nach Fläsch kam ich hinter Bad Ragaz erstmals in offenes Gelände. Mein leichtes Rad hatte dem stürmischen Föhn hier wenig entgegenzusetzen. Es war eine echte Herausforderung für mich, schon in langsamer Fahrt einigermassen die Spur zu halten. Auf der anderen Rheinseite erreichte ich den Windschatten des Fläscher Bergs. Fast windstill (aber dafür bergauf) fuhr ich weiter zur Militärfestung bei St. Luzisteig.
Auf der anschliessenden Abfahrt von St. Luzisteig nach Balzers erfasst mich der Föhnwind wieder mit voller Stärke und diesmal von hinten. Entsetzt stellte ich fest, dass ich aktuell mit 73 km/h unterwegs war. Dies war nicht gut und eine Halbierung der Geschwindigkeit kam dann auch keinen Moment zu früh, denn kurz vor Balzers kam ich in heftige Turbulenzen, die mich in einer Schrecksekunde fast von der Strasse wehten.
Am Ortseingang vom Balzers, inzwischen Schlangenlinien mit 14 km/h fahrend, überlegte ich erstmals ernsthaft, die Tour abzubrechen. Nach St. Luzisteig wollte ich aber nicht mehr zurückkehren. Stattdessen hoffte ich darauf, dass der Föhn im überbauten Siedlungsgebiet von Liechtenstein nicht mehr so arg wehen und später im Tagesverlauf auch nachlassen würde.
Von Balzers nach Vaduz
Diese Rechnung schien zunächst aufzugehen. Von Balzers nach Vaduz war die Fahrt zwar windig, aber fast unter Kontrolle im Vergleich zu vorhin. Ich rollte allerdings auch grösstenteils mit Rückenwind zuerst auf einem Feldweg, dann dem Rheindamm entlang nach Norden. Im kleinen Stadtzentrum von Vaduz fielen mir die chinesischen Touristen auf, die offenbar auch in der Nebensaison hier in Mengen anzutreffen sind.
Von Liechtenstein zurück in die Schweiz
Hinter Vaduz fuhr ich an Schaan vorbei über die offenen Felder des Riet nach Eschen. Ein Problem in Liechtenstein sind die sehr stark befahrenen Durchgangsstrassen, auf denen der Verkehr von den Grenzübergängen in der Schweiz und von Feldkirch aus nach Vaduz rollt. Ich konnte diese Verkehrswege aber grösstenteils auf Nebenstrassen in Wohnvierteln, auf Feldwegen und auf dem Rheindamm umgehen.
Bei Eschen drehte der Routenverlauf nach Westen, sodass ich erneut von heftigen Seitenwinden erfasst wurde. Der Föhn hatte inzwischen keineswegs wie erhofft nachgelassen, sondern eher noch an Stärke gewonnen. Ein grösserer Ast von einem Baum am Wegrand verfehlte mich knapp und krachte direkt vor meinem Vorderrad auf den Boden, bevor ich überhaupt reagieren konnte. Beim Fotografieren auf der Rheinbrücke verlor ich in einer Böe fast das Gleichgewicht, wobei der Wind mir die Kamerahülle aus der Hand riss und auf Nimmerwiedersehen in den breiten Flusslauf Richtung Bodensee beförderte.
Die letzten Kilometer mit vorzeitigem Ende
Nach der Brücke erreichte ich den Rheindamm auf der Schweizer Seite, auf dem ich jetzt noch 22 Kilometer bis nach Bad Ragaz in vollem Gegenwind würde zurücklegen müssen. Die Aussicht darauf verhiess nichts Gutes, nachdem ich mich von Beginn weg schon im kleinsten Gang bei 10 km/h gegen den Föhn stemmen musste, als ob ich einen Alpweg hinauffahren würde. Von den Sandbänken im Rhein wurden grosse Staubwolken emporgewirbelt. An und für sich ein schöner Anblick, ausser man war da gerade selber unterwegs.
Bald merkte ich, dass das Rad in einem Ausmass herumschwankte, das nicht mehr allein mit dem Wind zu erklären war. Ich hielt an – und tatsächlich: das Vorderrad war platt. An diesem Ort kam das denkbar ungelegen. Zum Glück verlief unter dem Rheindamm aber noch ein weiterer Weg mit angrenzendem Gebüsch, das zumindest ein wenig Schutz vor dem Wind versprach. Ich trug das Bike dort hinunter, packte das Werkzeug aus, sammelte mich und machte mich an die Arbeit.
Den defekten Schlauch konnte ich relativ zügig wechseln. Zumindest hatte ich diesen Eindruck. Tatsächlich war die Sonne aber längst hinter den Bergen verschwunden, als ich mich wieder aufs Rad setzte. Die anfängliche Euphorie und Hoffnung, es doch noch aus eigener Kraft nach Bad Ragaz zu schaffen, wich aber schon kurz darauf einer bodenlosen Enttäuschung. Auch der Ersatzschlauch konnte die Luft nicht halten und war platt. Ob die Ursache ein Missgeschick bei der Montage, ein eingewehtes Sandkorn oder gar ein steckengebliebener Dorn oder Stein im Mantel war, den ich im Eifer des Gefechts nicht beachtet hatte, blieb dahingestellt. Klar war lediglich: für weitere Reparaturen hatte ich weder Zeit noch Material übrig. Die Tour war an dieser Stelle zu Ende und es verblieb nur eine Frage: wie komme ich von hier aus am schnellsten mit öffentlichen Verkehrsmitteln wieder nach Bad Ragaz?
Ein Blick auf die Karte zeigte, dass ich wie durch ein Wunder nur rund 2 Kilometer vom Bahnhof in Buchs SG entfernt war, von wo aus ich Bad Ragaz mittels einer direkte Zugverbindung erreichen konnte. Ich machte mich unverzüglich auf den Fussmarsch dorthin. In der einen Hand das platte Bike im Schlepptau, in der anderen das Handy mit der Landkarte, um auf der Zielgeraden ja nicht noch Zeit mit irgendwelchen Irrwegen in der Industriezone zu verschwenden.
Nach nur halbstündiger Wartezeit am Bahnhof stieg ich in den nächsten Zug ein. Meine geplante restliche Tour zog wie im Flug draussen am Fenster vor mir vorbei – vielleicht war es auch besser so. In Bad Ragaz war es nämlich schon fast dunkel, als ich den Parkplatz erreichte. Immerhin bewältigte das Auto die Rückfahrt im weiterhin tosenden Föhnsturm wesentlich müheloser als ich und vor allem auch ohne Reifenpanne.