Von Disentis zum Oberalppass

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Ausgangspunkt

Disentis. Parkplätze am Dorfeingang sowie am Dorfausgang (bei den Bergbahnen).

Tourdaten

  • Weglänge: 49.5 km
  • Höhendifferenz: ↑↓ 1400 Hm

Routenbeschreibung

Auf der Jagd nach Schweizer Alpenpässen mit dem Gravelbike hatte ich heute den Oberalppass zwischen Disentis und Andermatt ins Visier genommen. Vor Jahren hatte ich schon auf einer Busreise neidisch auf die Rennradfahrer gestarrt, welche die Passhöhe im Gegensatz zu mir aus eigener Kraft erreicht hatten. Inzwischen müsste ich (zumindest von der Ausrüstung her) dazu auch in der Lage sein und wollte dies nun endlich in der Praxis testen.

Ganz aus eigener Kraft ging es allerdings auch diesmal nicht. Für den Nachmittag war Regen vorausgesagt, es stand also wiederum nur ein halber Tag für dieses Unternehmen zur Verfügung. Daher kam nur ein Start von einem vorgeschobenen Ausgangspunkt in Frage. Ich entschied mich für Disentis, da hier auch die Referenzstrecke des Alpenbrevet Extended beginnt – einer "Online-Challenge", bei der man nach Erreichen einer Anzahl von Alpenpässen um Andermatt herum ein paar rote Rennradsocken gewinnen bzw. an der Verlosung für eine Übernachtung im Luxushotel "Chedi" teilnehmen kann. Beides für mich natürlich allein schon unwiderstehliche Gründe, um dafür den Pass hochzukurbeln.

Die Anfahrt durch die Surselva nach Disentis erwies sich als gefühlt endlose und mühsame Odyssee durchs Bündnerland. Schwerverkehr und unzählige Baustellen mit Ampeln auf der Strecke sorgten dafür, dass das Verhältnis von "Zeit im Sattel" zu "Zeit am Steuer" heute rückblickend leider sehr ungünstig ausfallen würde. Schon ziemlich verspannt erreichte ich nach einer Ewigkeit einen Parkplatz am Ortseingang von Disentis und stieg unverzüglich aufs Bike um.

Von Disentis fuhr ich alles der Strasse entlang zum nächsten Dorf Sedrun und weiter nach Tschamut. Dieser Streckenteil zog sich leider relativ eintönig über viele Kilometer hinweg durch das Tal und war wiederum mit einigen Baustellen und Wartezeiten gespickt. Die landschaftliche Schönheit begann eigentlich erst hinter Tschamut, als sich eine Reihe von Haarnadelkurven mit zunehmend spektakulärer Aussicht aus dem Talboden auf die Passhöhe wand. Von hier an verblieben allerdings nur noch 200 Höhenmeter zum Pass, sodass das eigentliche Vergnügen im Endeffekt eher kurz war.

Der für mich eindrücklichste Moment im Aufstieg war sicherlich die "Zielgerade" vor der Passhöhe, als der Leuchtturm (das Wahrzeichen vom Oberalppass, das den Ursprung des Rheins symbolisieren soll) erstmals in Sicht kam. Ein etwas skurriles Gefühl, das rote pulsierende Leuchtfeuer vom Turm auf einem Alpenpass als Fixpunkt auf dem letzten Kilometer im Blick zu haben und nicht auf dem Meer bei der Einfahrt in einen Hafen.

Auf der Passhöhe dann die von meiner letzten Busreise bekannte Szenerie: Ladungen von Bustouristen und Motorradfahrern, die sich auf dem Parkplatz die Füsse vertraten, an Kiosk und WC Schlange standen oder fotografierten. Diesmal allerdings nicht aus der Perspektive der Busreisenden, sondern endlich als Radfahrer.

Faszinierend war wie schon bei den anderen Passfahrten in diesem Jahr die verschneite Gebirgslandschaft und auch hier ein See auf der Passhöhe, der immer noch halb zugefroren war. Damit verbunden wie schon fast üblich ein kalter und sehr ungemütlicher Wind, sodass ich mich auch diesmal nicht lange auf dem Pass aufhielt, sondern mich bald zur Abfahrt rüstete.

Den Weg zurück nach Disentis wollte ich allerdings nicht wieder auf der gleichen Strecke absolvieren. Stattdessen hatte ich im Voraus schon eine Alternative zusammengestellt, die teils über eine Mountainbikeroute auf der anderen Talseite und weitab der Passstrasse führen würde, gemäss Karte aber noch knapp Gravelbike-tauglich sein müsste. Vom Pass ging es aber zunächst wieder über die Serpentinen hinunter ins Tal nach Tschamut, wo ich die Strasse dann verliess.

Die ersten Meter abseits der Strasse ging es auf einem völlig überwucherten Wiesenpfad zwischen Ziegen und Kühen hinunter zum Golfplatz bei Selva. Hier fuhr ich auf einem (erstaunlicherweise öffentlichem) Weg mitten zwischen den Golfspielern hindurch zur einer Brücke, hinter der es steil aufwärts in den Wald weiterging. Der nun folgende, lange Streckenabschnitt durch Wälder und über Wiesen bis nach Foppas war zusammen mit dem Schlussanstieg zum Oberalppass der schönste Teil der ganzen Route und entschädigte für die lange Fahrt auf der Hauptstrasse, die man mitsamt den Baustellen weit entfernt am gegenüberliegenden Hang sehen konnte.

Bei Foppas hätte meine geplante Route in einem weiten Bogen ins entlegene Tal von Nalps hinauf und auf der anderen Seite dem Hang entlang über weite Strecken abseits der Zivilisation nach Mumpé und Disentis zurückgeführt. "Hätte", da sich einen Kilometer später im Tal von Nalps herausstellte, dass die Brücke über den Rein da Nalps bis Anfang Juli vollständig und ohne Umgehungsmöglichkeit wegen Bauarbeiten gesperrt war. So blieb mir nichts anderes übrig, als aus dem Tal heraus wieder nach Foppas zurückzufahren und mir dort eine neue Streckenvariante zu suchen.

Vor Ort erschien es am einfachsten, von Foppas ins nahe gelegene Sedrun zu fahren, dort wieder der Hauptstrasse über drei Kilometer zu folgen, bei nächster Gelegenheit dann ins Dorf Mumpé Tujetsch weiter oben am Hang über der Strasse abzubiegen und dem Hang entlang auf Nebenwegen über Segnas nach Disentis zu fahren. Rückblickend hätte es vom Schreibtisch aus gesehen eventuell noch bessere Alternativen gegeben, aber die werde ich mir wohl für ein nächstes Mal aufsparen müssen. Auch so war die restliche Strecke nach Disentis aber sehr idyllisch und ich kam bald wieder beim Startpunkt an, frisch ausgeruht für die erneute endlose Rückfahrt nach Hause.

Zusammenfassend hinterliess der Ausflug besonders der langen Anfahrt und des Verkehrs wegen etwas zwiespältige Gefühle (wobei dies wohlverstanden natürlich Meckern auf höchstem Niveau ist). Die "Normalstrecke" für Rennradfahrer von Disentis aus (oder jedem anderen Ausgangspunkt entlang der verkehrsreichen Strecke bis hinunter nach Chur) zum Oberalppass kann ich als Tour nicht empfehlen. Wie der Aufstieg auf der anderen Seite von Andermatt auf den Pass aussieht und ob diese Variante lohnender ist, wird sich für mich vielleicht in Zukunft weisen (falls ich die Übernachtung im Chedi gewinnen sollte…). Die auf dem Rückweg befahrene MTB-Route wäre landschaftlich ganz klar die schönere Variante zum Oberalppass, ist allerdings um einiges anstrengender und zeitaufwendiger. Ich hatte mir auch schon einmal eine mögliche Bikeroute von Bonaduz aus nach Disentis abseits der Durchgangsstrassen zurechtgelegt – man wird sehen…

Fotos

Auf der Strasse hinter Disentis nach Sedrun
Am Ortseingang von Sedrun
Hinter Tschamut wurde es landschaftlich richtig schön
Auf der Passhöhe vom Oberalppass
Der von weithin sichtbare Leuchtturm auf dem Pass
Der noch zugefrorene Oberalpsee
Skianlagen auf den Schneehühnerstock
Blick zurück auf die Aufstiegsstrecke
Kurvenreiche Abfahrt ins Tal
Weg von der Strasse und ab ins Grüne hinter Tschamut
Eine Ziegenherde schaut dem Gravelbiker misstrauisch zu
Abfahrt über einen Golfplatz
Blick auf die Fast-Dreitausender um Andermatt herum
Abwechslungsreiche Fahrt durch Wald und Wiesen
Abwechslungsreiche Fahrt durch Wald und Wiesen
Abwechslungsreiche Fahrt durch Wald und Wiesen
Abwechslungsreiche Fahrt durch Wald und Wiesen
Die gegenüberliegende Passstrasse von der Hinfahrt
Die Dörfer von Rueras und Sedrun
Sedrun, vom gegenüberliegenden Foppas aus gesehen
Dem Hang entlang nach Disentis zurück
Blick auf Disentis und die Surselva